Das Japanische Teehaus

Wolfgang Fehrer

Niggli Verlag, 2005, Zürich www.niggli.ch

ISBN 3-7212-0519-7

232 Seiten, zahlreiche Zeichnungen und Fotos, A4-Format

€ 42.-

Um es gleich vorweg zu nehmen: mit der vorliegenden Publikation kauft man sich das wohl schönste Buch über Japan oder um es im internationalen Award-Jargon auszudrücken: book of the year 2005.

Der Legende nach wird seit 300 v.Chr. der Teepflanze eine heilende Wirkung nachgesagt bzw. ihre Existenz beschrieben. Erst aus dem 8. Jahrhundert nach Christus wird der ritualisierte Teegenuß in japanischen Klöstern überliefert. Es dauerte aber wieder einige hundert Jahre bis aus dem kontemplativen Teetrinken eine streng regelmentierte Kunst entstand, die so erstmals in der Mitte des 15. Jahrhunderts festgehalten wurde.

Zum Thema Teezeremonie sind bereits unzählige Bücher erschienen, fast alle davon betrachten jedoch mehr die spirituelle esoterische Komponente dieser Zen-buddhistischen Kunstform und nur ein verschwindend geringer Prozentsatz (im Promillebereich) wagt einen Einblick in den gebauten Mikrokosmos des Teehauses und Teezimmers. Dabei ist es gerade der gebaute Raum, der die klassische Teezeremonie erst ermöglicht.

Fehrer recherchierte umfassend die Geschichte der Teezeremonie und lässt aus kunsthistorischer Sicht keinen Teil zum Verständnis der kleinsten gebauten funktionalen Einheit auf der Welt aus – im Teezimmer findet nur die besagte Zeremonie statt, sonst nichts. Sogar die Utensilien werden erst kurz vor Beginn hineingebracht. Sicherlich dürfen einführende Worte zur Philosophie und dem Ablauf einer Teezeremonie nicht fehlen; sie sind zum Verständnis essentiell und lassen schon eingangs die Komplexität der Chanoyu (Teezeremonie) erahnen.

Besonders interessant und ausführlich – wie eigentlich das ganze Buch – sind die Abhandlungen über die Elemente des Teehauses und seine Materialien, nijiriguchi, tokonoma, ro, naka bashira, Holz, Bambus, Papier, Tatami und – eine kleine Anmerkung am Rande – die Toilette. Auch die Bedeutung von Farbe und Licht findet seinen Platz und erlaubt neue Perspektiven in der Betrachtung des traditionellen Hauses in Japan. Allein die Beschreibung der verschiedenen Typen von Fenstern und deren Anordnung eröffnen dem Leser die unfassbare Vielfalt, die auf weniger als 10 Quadratmetern möglich ist. Der Frage nach dem Raumverständnis wird ebenso nachgegangen wie der nach der Bedeutung von Asymmetrie, Fläche und dem Bauen mit der Natur.

In einem relativ kurzen Abschnitt widmet sich Fehrer dem Teegarten als Bestandteil des Gesamtkunstwerkes Teehaus. Dies kann man nicht als Makel bewerten, da es hierzu schon andere Publikationen über die Gärten Japans gibt. Daher nur ein kleiner Einblick in den roji.

Bekannt sind dem Liebhaber der japanischen Teekultur sicherlich Namen wie Sen no Rikyu, Kobri Enshu, Murata Shuko oder Takeno Joo, die in erster Linie als Meister des Sado oder auch Chado (Weg des Tees) ihren Einzug in die Annalen der japanischen Geschichtsschreibung gefunden haben. Weniger geläufig dürfte aber sein, dass es gerade diese Teemeister der ersten Stunde waren, die das Erscheinungsbild der Teehäuser und -zimmer prägten: die Farbgestaltung wie das Rikyu-Grau, die eineinhalb-Tatami großen Teezimmer des Sen no Rikyu usw.

Eine architektonisch-ästhetische Zeitreise von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart zeigt die wichtigsten Tendenzen und Einflüsse, die strenge Zeremonie am Hofe der Daimyo bis zu den bürgerlichen Teezimmern der Meiji-Ära.

Dass sich auch zeitgenössische Architekten wie Tadao Ando, Hiroshi Hara oder auch ein Kurokawa Kisho mit diesem Thema befassten beweist Fehrer im abschließenden Kapitel – Neuinterpretationen, die aber immer noch nur dem einen einzigen Zweck dienen.

Dass es sich bei diesem Buch nicht nur um eine weitere Lektüre für den Coffeetable handelt, sondern wirklich auf seriösen Fundamenten basiert, zeigt der ausführliche Anhang mit Literaturhinweisen, einer Zeittafel und zwei Glossaren zu den Begriffen der Teezeremonie und Teehausarchitektur.

Bemerkenswert ist der in Rot gehaltene Text; dies gibt dem Buch noch eine zusätzliche Würze, ja schon fast Eleganz, die durch die hervorragenden Abbildungen unterstrichen wird. Graphische Darstellungen wie Grundrisse, Isometrien und Schemata lassen fast keine Fragen mehr offen.

„Das Japanische Teehaus“ ist ein Buch, ein Sachbuch, das man erst wieder auf die Seite legen kann, wenn man es ausgelesen hat. Ein Buch, das sich liest wie ein Dan Brown-Thriller: unterhaltend, spannend und trotzdem informativ.

Solche Bücher wünscht man sich mehr!

Und hier endet die objektive Abhandlung von www.edo-tokyo.de. Wir kennen viele Bücher über Japan, aber dieses ist herausragend.

Aus dem gleichen Verlag stammen die beiden Bücher von Werner Blaser: „Tadao Ando – Nähe des Fernen“ und „Japan – Wohnen+Bauen“, die hier auch beschrieben wurden.

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