1. Tatami
1.1 das Maß aller Dinge

Seit der Heian-Ära ist die Tatamimatte als Bodenmaterial bekannt. Erste Erwähnung fand es bereits in den Koji Ki ( frei übersetzt: Aufzeichnung historischer Angelegenheiten) 712nChr, wonach in der Zeit des Kaisers Jimmu (6.Jhdt. v.Chr.!) erste tatami-ähnliche Matten verwendet wurden. Ursprünglich wurde der Begriff tatami für Teppiche aus Wolle und Matten zum Sitzen und Schlafen verwendet. Nachdem diese Materialien obligatorisch in den Häusern der wohlhabenden, aristokratischen Leute wurden, bezeichnete tatami alles, was gefaltet (tatamu) oder schichtweise gelegt wird (Herstellung).
Die 732 nChr im Wamyou Ruiju Shou erwähnten tatami dürften aber eher mit den heute wieder mehr gebräuchlichen dünnen Tatami, den usu-tatami, gleich zu setzen sein als mit den bekannten dicken.
Das heutige Erscheinungsbild der tatami dürfte aber in der Heian-Periode geprägt worden sein, als sie einfach auf den Holzfußboden gelegt wurden um darauf zu sitzen (1/2-tatami) oder zu liegen (ganze tatami). Die Größe war noch nicht standardisiert und hing mehr oder weniger vom Reichtum des Besitzers ab.
Während der Kamakura-Ära entwickelte sich aus dem shinden-zukuri (Baustil) der Heian-Zeit der shoin zukuri der Samurai und Priester und fand seinen architektonischen Höhepunkt in der Muromachi-Zeit. Die mit Holzdielen ausgestatten Räume wurden nur am Rand mit tatami ausgelegt; kleinere Räume (die nun immer mehr aufkamen) wurden komplett ausgelegt. Räume, die flächendeckend mit den Matten ausgelegt waren, nannte man zashiki. Nun begann man auch sich Gedanken über das Layout zu machen und stellte Regeln hierfür auf:
"...die korrekte Art die tatami zu legen, ist es sie rund herum (entlang der Wände) anzuordnen, unabhängig wie viele. Die tatami vor der toko (heutzutage fälschlicherweise tokonoma bezeichnet - dies bedeutet eigentlich das Zimmer mit der Nische) sind immer längs dazu zu legen ..." (frei übersetzt aus dem shakuhei ki (1532-69).
Während der Edo-Ära wurden - natürlich - neue Richtlinien erstellt, wohl den neuen Moden aber auch Ansprüchen gerecht zu werden. Die Standardisierung der Matten ermöglichte es nun, diese den Anlässen entsprechend umzulegen.
Einen großen Einfluß auf den Gebrauch von tatami hatte die Kunst der Teezeremonie, die im Übergang von der Momoyama-Ära zur Edo-Ära ihren Aufschwung hatte.
Erst in der Mitte der Edo-Zeit (um 1750) fand die tatami Einzug in die bürgerlichen Häuser, auf dem Land dauerte diese Entwicklung bis in die Meiji-Zeit.
Interessant ist die Beobachtung in den kaiserlichen Anlagen und Gebäuden der daimyo: der Ort , an dem die Herrscher sitzen befinden sich tatami, die eine 2-3-fache Stärke der normalen Matte haben. Sie sind auch von ihren Abmessungen her anders und liegen auf den herkömmlichen tatami.


1.2 tatami als Standard
Die Lehrmeister der Teezeremonie suchten sehr schnell den Weg der einheitlichen Größe, da diese in der Architektur der Teehäuser bzw. -zimmer, chashitsu, eine besonders bedeutsame Rolle spielen soll.
Wie auch in anderen Ländern, wo bestimmte Materialien eine Normierung erfuhren (z.B. der Tonziegel in Deutschland), gab es regionale Abweichungen und Besonderheiten. Diese zeigen sich zum einen in der Größe als auch in der Art der Einfassungsbänder und Oberflächen.

die wichtigsten Größen sind:
kyouma-datami: 6shaku5sun x 3shaku2,5sun (1970x985mm)
chuuyouma-datami: 6shaku3sun x 3shaku1,5sun (1909x955mm)
inakama-datami: 6shaku x 3shaku (1818x909mm)
edoma-datami:5shaku8sun x 2shaku9sun (1757x879mm)

Die Stärke der Matten variiert zwischen 2sun in der Kanto-Region und 1sun und 8bu in der Kansai-Region; tatami der besten Qualität (nicht aristokratisch) sind 2sun5bu stark. Abhängig von der Dicke der Matte richtet sich die Breite der Einfassungsbänder.
Dass diese Standardisierung nicht nur Vorteile hatte, zeigte sich vor allem in der Praxis, wenn z.B. verschieden große Räume aufeinander treffen oder die Holzkonstruktion des Gebäudes sichtbar blieb.
In diesem Zusammenhang sei noch zu erwähnen, dass die Japaner wohl die einzigen auf der Welt sind, die Räume nach der Art der Auslegung des Bodenmaterials, benennen. Den Höhepunkt dieser Klassifizierung sieht man in den Bezeichnungen für Teeräume, die z.B. für einen 8 Matten großen Raum mindestens 4 verschiedene Namen kennt.

Tatami definieren sich durch die drei Bestandteile:
toko (quasi der Kern): aus Reisstroh
omote (die Oberfläche): aus igusa bzw. toushingusa (Juncus effusus) oder kayatsurigusa (Cyprus microiria)
fuchi oder heri (die Einfassung): Bänder aus Stoff

Die Farbe und das Muster der Einfassungsbänder richteten sich nach dem Stand der Person. So bekam der Kaiser Brokateinfassungen mit großornamentalen Blumen und Diamantenmuster während z.B. die Priester eine purpurrote Einfassung hatten. Doch diese Regel wurde schon bald wieder eingestellt und so findet man heute eine breite Auwahl an heri, einfarbig und gemustert.


1.3 Herstellung
Wenn sich die Halmspitzen von Juncus effusus braun färben, beginnt die Erntezeit der Flatterbinse, igusa, oder auch Dochtbinse, toushingusa, da früher der Halm für den Docht von Laternen und Öllampen Verwendung fand.
Der Anbau ist dem des Reis' sehr ähnlich und unterscheidet sich nur durch die Zeit des Auspflanzen der Jungpflanzen.
Das Ernten erfolgt maschinell, höchste Qualität wird noch mit der Hand geerntet. Nach der Erntemahd werden die Halme in eine Lehm-Wasser-Lösung getaucht und zwei Tage an der Sonne getrocknet. Dies gewährleistet eine bessere Haltbarkeit. Die omote werden auf Webstühlen hergestellt.
Das Reisstroh für die Basis wird ein Jahr getrocknet und in mehreren Lagen kreuz und quer verarbeitet bis 40cm starke Rohmatten entstanden sind, die anschließend auf 5cm gepresst werden. Dies erklärt das hohe Gewicht von 40kg einer tatami. Billige tatami bestehen in ihrem Inneren nicht mehr aus Reisstroh sondern Hartschaumstoff, die auch dementsprechend leichter sind.


1.4 klimatische Besonderheit
Die Oberseiten der tatami bestehen wie gesagt aus einem Binsengeflecht. Diese Binsenhalme besitzen bedingt durch ihren Lebensraum ein ausgeprägtes Luftkammern- und Kapillarensystem in den Halmen. Dies bewirkt einen kühlenden Effekt im Sommer und einen wärmenden im Winter.


1.5 Tatami im Gebrauch
Im Zuge der Asienwelle in der westlichen Architektur (im speziellen Innenarchitektur und Design) sind tatami auch bei uns erhältlich. Wenngleich die Qualität der importierten Ware meist durchschnittlich ist, gilt der gleiche Grundsatz wie in Japan:
die Matten sollen nicht auf einen diffusionsdichten Boden gelegt werden. Die Möglichkeit, dass Feuchtigkeit (insbesondere, wenn darauf geschlafen wird) durch die tatami hindurchdiffundieren kann, muß gewährleistet sein, ansonsten kann damit gerechnet werden, dass sich an der Unterseite Schimmel bildet. Am besten hat sich eine Lattenkonstruktion bewährt, die wie ein Bettgestell fungiert.
Neue tatami haben die Eigenart, dass sie einen unangenehmen Geruch ausströmen, der sich aber nach einiger Zeit legt.
Tatami haben, da sie aus natürlichen Materialien bestehen, eine begrenzte Lebensdauer. Sie sind auszuwechseln (in Japan auch repariert), wenn sie weich geworden sind - neue hingegen sind relativ hart. Tatami werden niemals mit Schuhen betreten, sondern nur mit Socken oder barfuß!
Tatami sind empfindlich gegenüber Flüssigkeiten - auch wenn sie dicht geflochten sind. Sie lassen sich dennoch leicht feucht wischen, besser ist aber gründliches Saugen oder trockenes Wischen mit neuartigen Wischtüchern (Staubbindung).
Es wird keine Gewähr für diese Angaben übernommen, da Putztechniken unterschiedlich sind!


feierliches und "normales" Layout zur Edo-Zeit
klassisches Layout im privaten Bereich
formelles Layout in einem "Bankettsaal"
moderne Tatami ohne fuchi (farbig oder andere Maße)
maschinelle Ernte
Eintauchen in das Lehmbad
omote-Webstuhl
Wasserflecken bleiben
zum Inhalt
Impressum
Ziertatami mit aufgedrucktem Goldfisch